Pieps

Wer hat schon Angst vor Katzen?

Unser Hausspatz und Brillen-zurecht-Rücker jedenfalls nicht

Eines Tages im Spätsommer 2009 klingelte das Telefon. Ein aufgeregtes Katzen-Frauchen berichtete uns von ihrer Katze, die ihr am Morgen einen lebenden Vogel als Geschenk mitgebracht hatte. Und zwar einen sehr jungen ... und sie wisse nicht, was sie nun mit dem Tier tun solle. Töten könne sie es nicht, und der Katze zurückgeben, wollte sie es auch nicht. Verständlicher- und richtiger Weise, denn das wäre schließlich eine Belohnung gewesen. Also ab damit, zu uns ins tierische Haus. Dort stellte sich sehr schnell heraus, dass es ein ganz, ganz junges, noch nacktes Vogelkind war. Was genau, das konnten wir nicht erkennen. Alles, was es in der eingehenden Untersuchung zur Klärung des Sachverhaltes beitragen konnte, war ein leises, klägliches Pieps ... immerhin hatten wir damit schon mal den Namen.

Pieps bekam einen kleinen Käfig am Fenster in der Küche. Darin ein ausgepolstertes Körbchen als Nest. Und er bekam regelmäßig Futter in eine Pipette gereicht ... und zwar unser bewährtes Aufzugsfutter: Magerquark mit Schabefleisch. Pieps nahm das Futter an, das Dr. Lorenz ihm klümpchenweise, dafür aber alle halbe Stunde anbot. Bald wurde das Stimmchen stärker und der Vogel zutraulicher. Nun erscholl sein Hungergepiepse meist schon, wenn jemand die Diele betrat, dann sperrte er bis zum Anschlag. Es war Zeit für erste Würmchen und Brotkrümel. Nach vier Tagen bei uns sprossen die ersten Federkiele. Eine weitere Woche zeigte sich, dass es sich offensichtlich um ein Spätzchen handelt, und zwar eines, dass keinerlei Scheu vor Katzen zeigte. Ganz im Gegenteil... der kleine Vogel hüpfte putzmunter mitten zwischen unseren Katzen und Hunden herum. Das ist kein Problem, denn bei uns hat noch nie ein Tier dem anderen etwas angetan. Aber es wäre ein anderes in der freien Natur. Dort wäre Pieps sofort ein im engeren Sinne des Wortes gefundenes Fressen gewesen. Was die sprichwörtlichen gebratenen Tauben für den Menschen, das wäre Pieps für die Lichterfelder Katzen. Er würde ihnen direkt ins Maul fliegen ... allerdings ungebraten.

Pieps, der Traum jeder hungrigen Katze.
Pieps, der Traum jeder hungrigen Katze.

Damit war kar: Auswildern ist nicht, Pieps bleibt bei uns. Das bedeutet natürlich auch Arbeit, denn im Hause Lorenz hat sich jedes Tier irgendwie nützlich zu machen. Und da Baby-Blue schon für das Haare-zurechtlegen bei Frau Dokter zuständig ist, wählte Pieps das Brille-geraderücken. Mit Feuereifer ist er dabei, den Sitz der Sehhilfen aller Hausbewohner zu korrigieren. Doch damit nicht genug. Die allerwichtigste Aufgabe fiel Pieps mit dem Aufstellen des Tannenbaumes zu. Kaum geschmückt und in vollem Glanz, erkannte er alsbald, dass man jedes Bäumchen noch verschönern kann. Einmal indem man die Deko-Artikel künsterisch-wertvoll ins gechte Licht rückte und dann natürlich durch den schönsten Weihnachtsschmuck, denn man sich nur wünschen kann: Pieps himself.

Die Tatsache, dass Praxiskatze Lotti seit Jahr und Tag den Tannenbaum als besinnlichen Raum für sich beansprucht, indem sie immer dann, wenn ein Päuschen oder Nickerchen ansteht, darunter schlüpft, war unserem Pieps völlig schnuppe. Er turnte durch den ganzen Baum, begutachtete das Schmuckwerk in jeder Astetage ganz genau. Richtete hier, ordnete dort. Und das alles unter den - durchaus wachsamen - Augen unserer Praxissekretärin. Manchmal gesellte sich sozusagen als Verstärkung auch noch Chefkater Florian in die Baumnähe. Doch Pieps kommentierte auch das nur mit einem fröhlich begrüßenden Pieps ... Er hat halt großes Schwein, dass er auf keine anderen Katzten trifft als auf unsere.