Baby Blue

Per Bus-Stop in die Praxis

Eine Taube in gehobener Position

Baby Blue, die Lorenzsche Haustaube, wurde von einem BVG-Busfahrer in Berlin-Marzahn aufgegabelt. Das junge Tier hat sich wohl bei seinem Jungfernflug etwas übernommen. Total verängstigt saß es mitten auf der Fahrbahn und rührte sich in seiner Panik nicht von der Stelle. So mußte der Fahrer auf die Bremse treten und sein um die Morgenstunde zum Bersten voll besetztes Gefährt stoppen. Da andere Autofahrer sich nicht veranlasst sahen, Rücksicht auf Baby Blues Malheur zu nehmen, ja sogar geradewegs auf das zitternde Tier zuhielten, kam es im Bus fast zum Tumult.

Die aufgebrachten Fahrgäste ließen nicht locker, bis der Fahrer ausstieg und den verängstigten Vogel vom Asphalt holte. Ein Fahrgast organisierte einen Karton und so thronte die Taube sodann neben dem Fahrer und ließ sich huldvoll durch Berlin kutschieren. So ging das den ganzen Tag, doch so konnte es unmöglich bleiben! Auch wenn es Baby Blue gerade recht gewesen wäre, und die Taubendame hinzusteigende Fahrgäste stets zu einem netten Pläuschchen inspirierte.

Am nächsten Tag erschien der Fahrer mit grauem Pappkarton und Baby Blue in der Praxis am Oberhofer Weg. Renate Lorenz nahm den gurrenden, noch namenlosen Fund bereitwillig auf. Baby Blue bekam einen Platz im Katzenkorb und entwickelte sich zu prächtiger Gestalt. Ihre kurzen Ausflüge in den Garten überzeugten die Taubendame aber nicht, hatte sie doch inzwischen der Reiselust abgeschworen und schon insgeheim beschlossen, im Haus zu bleiben.


Seitdem arrangiert sie sich nahezu perfekt mit ihren tierischen Mitbewohnern, pflegt gute Nachbarschaft mit Hund, Katze & Co. und hat neben ihrer Wohnung im Katzenkörbchen Renate Lorenz' linke Schulter zu ihrem Lieblingsplatz erkoren, wo sie ihr nur zu gerne unermüdlich und höchst fürsorglich Strähne für Strähne die Haare zurecht legt.

Im Privatzoo Dr. Lorenz nimmt Baby Blue übrigens eine sichtbar gehobene Stellung ein. Die mittlerweile überaus selbstbewußte Vogeldame vergrault jeden wagemutigen Gast aus "ihrem Reich", der ihr ihren samtweich ausgepolsterten Katzenkorb irgendwie streitig machen könnte. Ob Lotti, Toni oder Muc-Muc - keine Chance! Nur Renate Lorenz - bei ihr macht Baby Blue eine Ausnahme.

Eines schönen Sommertages jedoch war Baby Blue unerklärlicher Weise verschwunden. Einige lange Wochen lang war sie weg, bis zum Herbst. Als die Tage kürzer und die Nächte kälter wurden, kam ein Anruf einer besorgten Patientin, die von einer sehr zahmen Taube berichtete, die immer wieder versuche, ins Haus zu kommen. Das Praxisteam war sofort elektrisiert: "Das kann nur Baby Blue sein!" Und richtig: Von Susi hinter der Hecke gesichtet, saß sie da und wollte erneut einbrechen. Also schnell mal den Garten gestürmt und die Rumtreiberin wider Willen nach Hause gebracht. Denn eines ist allen klar ... wirklich abhauen wollte die Taube garantiert nicht.