Aaron

Der Hund ohne Kinderstube

Geschichte einer Kastration

Aaron ist ein schwarz befellter, gut einjähriger Terriermischling, der aus dem Tierheim stammt und sich nicht benehmen kann. Da sei es ihm auch schon mal egal, erzählt Frauchen, wem oder was er mit seiner geballten Manneskraft auf den Leib rückt. Katze, Sofakissen oder Tretmülleimer in der Küche.

Jetzt zittert er jedenfalls am ganzen Körper, anscheinend ahnend, dass da etwas passieren wird, das ganz entscheidend in sein junges, ungezügeltes Hundeleben eingreifen könnte.

Aaron scheint einen langen Leidensweg hinter sich zu haben. "Sein erster Besitzer meinte es nicht gerade gut mit ihm. Jetzt lebt er bei mir. Vor kurzem erst hat er sich das Hinterbein gebrochen und musste hier operiert werden", erzählt sie und präsent die gut verheilte Wunde und das weiche Fell, das gerade nachwächst.

Renate Lorenz hat Aarons Besitzerin, deren Anspannung sich schon auf das immer unruhiger werdende Tier überträgt, einen kleinen Spaziergang rund ums Eck empfohlen, bis dann alles vorbei sei. Dann bereitet sie Aaron auf das vor, was er sich bestimmt nicht wünscht. Beraubt ihn doch die drohende Kastration seines männlichen Tatendrangs.

Die Beruhigungsspritze ist aufgezogen, und die Narkoseinjektion ruht auch auf dem bereitgestellten Tablett. Mit geübten Fingern verabreicht Renate Lorenz die durchsichtige Substanz, die Aaron nur mit einem kurzen Zucken seiner gespitzten Ohren in Empfang nimmt. "Brav. Gut gemacht!" Susi streichelt ihm sanft und beruhigend durch das schwarze Fell. Aaron genießt es sichtlich, während er schon langsam ein klein wenig dahindämmert. Dann wird Aaron hinübergebracht in den OP und mit vereinten Kräften auf dem blanken Tisch gelagert.

Ganz entspannt liegt er da, als hätte er sich gerade den Bauch mit einem Riesenknochen gefüllt. Ganz regelmäßig hebt sich seine etwas heller und lichter behaarte Brust unter den kräftigen Atemzügen, die einem melodischen Schnarchen nicht unähnlich sind. Dazu dringt aus den Käfigen an der hinteren Wand noch ein tatkräftiges Piepsen, Flöten und Zwitschern wie zur hilfreichen Unterstützung. Alle arbeiten Hand in Hand. Worte? Nahezu überflüssig. Denn man versteht sich blind. Dann geht die Tür zum OP auf und Renate Lorenz wendet sich wieder Aaron zu. Der Terriermischling, dem es an diesem schicksalhaften Morgen an seine Mannespracht ging, ist zwar noch ein wenig schläfrig, aber augenscheinlich guter Dinge.

"Ziehen Sie ihm doch einfach 'nen alten Schlüpper über", rät Renate Lorenz. Sie gibt Aarons Frauchen Tipps und Anweisungen und verordnet den Besuch nachmittags um fünf zwecks Kontrolluntersuchung. Dann trägt Praxisperle Susi den inzwischen schon wieder schwanzwedelnden und mit weit aufgerissenem Maul gähnenden Aaron zum Ausschlafen ins Auto.